Das ehemalige Bahnbetriebswerk Schöneweide – von Bahnbrachen, Vereinsnutzungen und Entwicklungsabsichten

Drehscheibe und Ringlokschuppen
Drehscheibe und Ringlokschuppen

Ebenfalls am Rande von Berlin, in unmittelbarer Nähe zum Adlergestell – einer der zentralen Ost-Berliner „Ausfallstraßen“ – in einer surrealen Lage zwischen Verkehrsflächen, Brachen und Gewerbenutzungen – befindet sich das ehem. Bahnbetriebswerk Schöneweide.

Im Zuge der Industrialisierung Berlins und des Bedeutungsgewinns des Verkehrsmittel Eisenbahn (inkl. Wachstum der Verkehrsmengen) wuchs auch die Notwendigkeit des Ausbaus von Bahninfrastrukturen, um den wachsenden Anforderungen und Bedarfen von Personen- und Güterverkehr gerecht zu werden. So entstand zwischen 1902 und 1906 auch dieses Bahnbetriebswerk in Schöneweide – inklusive eines sich östlich anschließenden Verschiebebahnhofes – mit direkter Anbindung an die Bahnstrecke Berlin–Görlitz.

Anfahrt aus westlicher Richtung
Anfahrt aus westlicher Richtung

Das bauliche Ensemble des Bahnbetriebswerkes besteht im Wesentlichen aus einer Drehscheibe mit angegliedertem zwölfständigem Ringlokschuppen, einem Wasserturm, einem Bekohlungskran und mehreren Verwaltungs- und Betriebsgebäuden, unter Anderem einem Gebäude zur Unterbringung von Bahnpersonal („Übernachtungsgebäude“), welches lange Zeit die 24-Stunden-Einsatzbereitschaft der „strategischen Betriebsreserve“ sicherte.

ehem. S-Bahn-Dampflok
ehem. S-Bahn-Dampflok

Mit betrieblichen Umstrukturierungen im Bahnbetrieb in den 90’er Jahren und der Aufgabe des Verschiebebahnhofes Schöneweide 1998 kam auch das „Aus“ für das Bahnbetriebswerk. Seit Mitte der 90’er Jahre wird das Betriebswerk ergänzend durch verschiedene Vereine (z.B. den „Dampflokfreunde Berlin e.V.“ und dem „Traditionszug Berlin e.V“) mit ehrenamtlichem Leben gefüllt. Seit der Aufgabe der regulären Nutzung durch die Bahn sorgen diese in Zusammenwirken mit anderen Akteuren (z.B. mit der Unterstützung von DB Museum) für „Leben auf dem Gelände“ und machen so ein Technikdenkmal in seiner Funktion erfahrbar. Mit Liebe zu Details und Faszination für Technik warten, pflegen und nutzen sie zahlreiche hier stationierte Museumsfahrzeuge. Nicht selten tragen diese auch heute noch durch aktive Nutzung zu ihrer eigenen Finanzierung (z.B. Kosten für Hauptuntersuchungen) bei.

Drehscheibe aus westlicher Richtung
Drehscheibe aus westlicher Richtung

Wie lange sich das aktive Vereinsleben am Standort noch in dieser Form halten können wird, ist nicht ganz absehbar. Derzeit stehen wesentliche Teile des Betriebswerks unter Denkmalschutz, jedoch arbeiten DB (DB Services Immobilien GmbH), Bezirk und Senat bereits seit Mitte des ersten Jahrzehnts unseres Jahrtausends an einer gezielten Entwicklung des Gebietes. Ein gemeinsam entwickelter städtebaulicher Rahmenplan (2007/2008) sieht für das Areal von Betriebswerk und Verschiebebahnhof die Entwicklung zu einem Gewerbegebiet/Gewerbestandort vor, der sich als Fortsetzung/Erweiterung des angrenzenden Wissenschafts- und Wirtschaftstandortes Johannisthal/Adlershof versteht.

Fahrvergnügen zum Denkmaltag
Fahrvergnügen zum Denkmaltag

Seit Anfang 2013 erhält dieses Vorhaben eine neue Dynamik, da die beteiligten Parteien die Schaffung und Genehmigung der notwendigen bauplanungsrechtlichen Grundlagen vorantreiben (siehe hierzu z.B. „Drucksache 17/1097 des Berliner Abgeordnetenhauses vom 31.07.2013 (Vorlage zur Änderung des Flächennutzungsplans)“ und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Abt. IV 21: „Begründung zum Bebauungsplan 9-60 im Stand: 01.02.2013“ (Phase der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung endete am 28.02.2013)). Neben den angestrebten Ansiedlungen „höherwertiger“ gewerblicher Nutzungen (insbesondere Umsiedlungen/Erweiterungen von innerstädtischen Gewerbe- und Industriebetrieben) sieht das Konzept für Teile des ca. 48ha großen Entwicklungsbereichs die Etablierung und Sicherung von Grün- und Freiflächennutzungen/-funktionen vor.

Blick in den Ringlokschuppen
Blick in den Ringlokschuppen

Inwieweit die derzeitige Nutzung des ehem. Betriebswerkes mit den Verwertungs- und Entwicklungsbestrebungen von Eigentümern und öffentlicher Hand konform gehen, bleibt derzeit etwas unklar. Aussagen über den weitergehenden Erhalt der (Bahn-)Netzanbindung des Bahnbetriebswerkes sind beiden benannten Dokumenten nicht zu entnehmen. Die Dokumente und Planungen betonen diesbezüglich lediglich den Erhalt des denkmalgeschützten Bauensembles. Somit bleibt zu befürchten, dass die Realisierung des Vorhabens (erste Grundstücksverkäufe wurden durch DB für den erwarteten Zeitpunkt der Erreichung der Planreife 2015/2016 angekündigt (siehe hierzu u.A. Stellungnahme der S-Bahn-Berlin GmbH vom 13.06.2013 und von DB Mobility Logistics AG vom 05.06.2013)) zu einem Ende der Netzintegration des Standortes führen und somit auch ein Ende des derzeitigen Nutzungs- und Betriebskonzeptes der Vereinsnutzer (u.A. Betrieb von Museumszügen und Wartung noch aktiver Museumsfahrzeuge) bedeuten könnte. Zur aktuellen Diskussion um die Gebietsentwicklung bietet auch folgender Beitrag aus der Berliner Zeitung vom 06.06.2013 weitere Informationen.

Drehscheibe und Ringlokschuppen
Drehscheibe und Ringlokschuppen

Im Rahmen des Tages des offenen Denkmals 2013 bot sich die Gelegenheit nicht nur Ringlokschuppen und zugehörige Drehscheibe in Vereinsbetrieb zu erleben, sondern auch die anderen zugehörigen Gebäude und Teile der Überreste des Verschiebebahnhofes (derzeit durch Spuren des Rückbaus von Bahninfrastrukturen und Pioniervegetation geprägt) auf eigene Faust und/oder im Rahmen der angebotenen Führungen zu erkunden. Viele Details bieten einen Eindruck von der bewegten Geschichte des Betriebswerkes und einen Einblick in die Arbeitszusammenhänge auf dem Gelände.

Besonders beeindruckend war das Engagement der Vereinsakteure, die in Gesprächen viele Interessante Anekdoten zu Gelände und historischem Fuhrpark zu berichten wussten. Sie selbst schienen etwas von der „Breite“ des Besucherspektrums fasziniert, denn neben klassischen Eisenbahnfreunden fanden sich nicht wenige ein, denen es eher um einen generelleren Blick in dieses nicht so häufig zugängliche Gebiet ging (ein Geheimtipp (mit/ohne Familie) für alle, die das Gelände noch nicht gesehen haben). Die in diesem Beitrag zu sehende Bebilderung entstand bei diesem Anlass.

Christoph Albrecht Verfasst von:

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar