Zukunft Quer Beet – Kiel zum Mitmachen – Gedanken zu Stadtgrün und Stadtzukunft

„Wie gestaltet sich die Zukunft unserer Städte?“ – eine Frage, die Raum für innovative und kreative Antworten lässt, denn auch die gegenwärtige Gesellschaft sucht auf verschiedenste Art und Weise – bewusst und unbewusst – Raum und Möglichkeit ihre bebaute und nicht bebaute Umwelt zu gestalten.

Unter dem Motto „Die Stadt ist unser Garten“ luden am 14. Juni 2015 verschiedene Akteure aus Kiel und Umgebung zur kreativen Auseinandersetzung mit der Zukunft des Stadtgrüns der Schleswig-Holsteiner Landeshauptstadt, genauer gesagt verschiedenen Ansätzen der gätnerischen Aneignung und Gestaltung dieser urbanen Grünreserven. So verwunderte es wenig, dass sich das Veranstaltungsformat als fest geplanter Bestandteil der derzeit laufenden Erstellung des Kieler Kleingartenentwicklungskonzeptes darstellte.

Zukunft - Querbeet

Im kreativen Ambiente der Alten Muthesius Kunsthochschule (Alte MU)und befördert durch die Vielschichtigkeit der sich präsentierenden Akteure lies sich ein deutlich vielschichtigeres Verständnis des „Gärtnerns“ erleben, als es das bis dato doch recht konservativ auf „Status Quo“orientierte Nutzungssicherung ausgerichtete Kleingartenentwicklungskonzept erwarten lies.

In und im Umfeld der Alten MU präsentierten verschiedene Akteure die Vielfalt von Organisationsformen, technischen Lösungen sowie idealistischen Zielsetzungen und Motivationen, die sich mit „städtischem Gärtnern“ verbinden lassen. So schlug die Veranstaltung durch Akteure und Exponate eine gekonnte Brücke durch die lokale Vergangenheit und Gegenwart bis hin zu möglichen zukünftigen Bildern „urbanen Gärtnerns“. Die Frage nach der räumlichen Verortung dieser verschiedenen „neuen“ Formen städtischen Gärtnerns, blieb und bleibt offen.

Beete an der Alten MU

Kommerzielle Akteure wie Jardinyo präsentierten den Rahmen des derzeit technisch möglichen Smart-Phone-App gestütztes High-Tech-Gärtnern für den ungeübten Stadtgärtner. Auf der anderen Seite präsentierten lokale Akteure den Rahmen möglicherweise gewünschter sozialer und auch lokalökonomischer Ziele, vom durch Elterninitiative getragenen „Erfahrungsgarten“ für Kindergartenkinder bis hin zum auf Selbstversorgung und lokale Ökonomie ausgerichteten Bürgergartenprojekt.

Die in Kiel gegenwärtige Konkurrenz um Flächennutzungen (Wohnen vs. Gewerbe vs. Verkehr vs. Grün- und Freiräume) ging in der Gesamtheit der Präsentationen unter. Lokales Netzwerken der Individualisten stand im Vordergrund. Dies mit Sicherheit nicht zu Unrecht.

Dennoch drängt sich die Frage nahezu auf, welche Impulse aus einer derartigen Veranstaltung für die zukünftige Entwicklung von Stadt und Stadtgrün in Kiel gewonnen werden, welche Momente auch richtungslenkende Entscheidungen von Stadtpolitik und Stadtverwaltung beeinflussen.

Derzeit sind etwa 11% der etwa 10.182 Kieler Kleingartenparzellen (Stand 2013) brachgefallenen oder in sehr ungepflegtem Zustand. Mit 4,2 Kleingärten je 100 Einwohner ist die Versorgung mit Kleingärtenparzellen innerhalb des Kieler Stadtgebietes im Vergleich bundesdeutscher Städte durchaus nicht negativ zu werten. In Metropolen wie Hamburg oder Berlin stehen den Einwohnern in Relation durchaus weniger Flächen zur Verfügung (etwa 2 Parzellen je 100 Einwohner). Als schleswig-holsteinischer Stadtnachbar mit ähnlichen Bevölkerungszahlen kommt auch Lübeck mit etwa 4,4 Kleingärten je 100 Einwohner auf ähnliche Relationen. Mit einer Relation von 20 Kleingartenparzellen auf 100 Einwohner ist der Schrumpfungs- bzw. Stagnationsstandort Neubrandenburg 2015 Stadt mit der höchsten Versorgungsdichte. Im Rahmen der derzeit laufenden Erstellung des Kieler Kleingartenentwicklungskonzeptes wird von einer wohlwollend rechnerisch-fundierten Unterversorgungssituation (670 fehlende Kleingartenpazellen bei einer Bedarfsannahme 10 Wohneinheiten je Kleingartenparzelle) ausgegangen. Inwiefern diese innerhalb der Stadtgrenzen kompensiert werden können bleibt an dieser Stelle unbeantwortet. Nach Auffassung des Autors sollte die Förderung von Formen des städtischen Gärtnerns, die sich jenseits traditioneller Vereinsstrukturen, Pachtmodalitäten und am „Rande“ der Regelungen des Bundeskleingartengesetzes sowie ergänzender landesrechtlicher Normen bewegen, auch im Rahmen städtischer bzw. stadtpolitischer Intervention in diesem Bereich ein höherer Stellenwert beigemessen werden. Für Kiel bedeuten benannte 11% brachgefallene bzw. ungepflegte Kleingärten eine nicht zu unterschätzende (Grün-)Flächenreserve, die partiell für Experimente genutzt werden könnte oder aber mittel- bis langfristig zu einem Argument gegen den Erhalt von Kleingärtenanlagen (in ihrer jetzigen Anzahl) verkommt.

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Über den Horizont des Themas „städtisches Gärtnern“ hinaus verdeutlichten Projekte und Vereine, die sich in der Alten MU präsentierten dass Bürger ein zunehmendes Bewusstsein für einen sensiblen Umgang mit dem Thema „Entwicklung städtischer Zukünfte“ haben und notwendige Prozesse mehr oder weniger aktiv mitgestalten und Optionen zur Einbindung jenseits von Wahlen zusehends auch aktiv suchen und einfordern.

So verwundert es kaum dass sich neben öffentlich geförderten Projekten wie „Zukunftsmacher.sh“ auch die Kieler „BÜRGER // WERK // STADT“ in den Mauern der Alten MU präsentierten und um die aktive Mitwirkung der Anwesenden warben.

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In verschiedenen bewertend analytischen Elementen wurden Meinungen und Assoziationen zum Kieler Stadtraum erfragt als auch zum individuellen städtischen Mobilitätsverhalten. Die Resultate trieben dem ein oder anderen Gast ein Schmunzeln ins Gesicht – vielleicht mit der inneren Erkenntnis, dass in Kiel „Hopfen und Malz“ noch nicht ganz verloren ist, sondern ein individuelles Bewusstsein für (Stadt)Räume und Raumaneignung existiert.

Als Tipp und „zu beobachtende“ Empfehlung hervorzuheben sind die partizipativ-experimentellen Ansätze der Kieler „BÜRGER // WERK // STADT“ (siehe letztes Bild in diesem Artikel). Mit einer auf Mitwirkung basierenden Mapping-Technik versuchen die Akteure lokale Ideen und Wünsche rund um das Thema „Zukunft der Stadt Kiel“ zu sammeln und in die öffentliche Diskussion zu tragen. Es bleibt zu wünschen, dass sich möglichst viele Kieler hier einbringen und dass sich die Kieler Stadtpolitik inspierieren lässt.

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weiterführende Links und Informationen:
Webpräsenz der Kieler BÜRGER // WERK // STADT,
Facebookpräsenz der Kieler BÜRGER // WERK // STADT,
Facebookpräsenz der Alten MU,
Projekt zukunftsmacher.sh,
Facebookpräsenz der raum station kiel,
Webpräsenz der Landeshauptstadt Kiel (Stadtplanungungsamt) zum Thema Kleingartenentwicklungskonzept – Kleingärten mit Zukunft,
Webpräsenz des Bundesverband Deutscher Gartenfreunde – Zahlen und Fakten.

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Some words in English:
Welcome to Kiel, a city in search for its own future.

The pics presented within this article are the product of a visit at the Alten Muthesius Kunsthochschule, one of the few islands of creativtity in town.

The pics were taken at an workshop/exhibition focussing on topics like urban gardening and the prospective future of gardening in Kiel. Citizen participation and a discours about innovative and sustainable urban development in the context of Kiel were further goals of the event.


Christoph Albrecht Written by:

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