Unter dem Titel „An den Rändern der Stadt – urbane Peripherien“ lädt die Evangelische Akademie zu Berlin am 13.-14. Oktober Fachleute und Interessierte zum Austausch über Perspektiven und Herausforderungen des Zusammenlebens in der urbanen Peripherie. Hierbei klar Fokus stehen auch Perspektiven für kirchliche Infrastrukturen und Angebote. In Zeiten sozio-demografischer Brüche sowie weiterhin fortschreitender Veränderung religiöser Praxis und Bedarfe stehen insbesondere nahumfeldbezogenen Angeboten und Infrastrukturen in eben diesen Lagen nicht selten unter besonderem Anpassungs- bzw. Handlungsdruck. Der Anspruch der Sicherung gewachsener Praxis des Zusammenlebens unter Aufrechterhaltung einer liebgewonnenen Angebotslandschaft steht nicht selten ökonomischen, personellen oder aber baulich-physischen Schieflagen gegenüber. In der Gesamtschau also durchaus ein spannender thematischer Rahmen, der gerade aus sozialem Blickwinkel und vor dem Hintergrund der Herausforderung gesellschaftlicher Integration viel Diskussionsprengstoff bietet und im Sinne einer Handreichung für die Akteure in ebend diesen Situationen förmlich nach Transfer von Wissen und Erfahrungen ruft.
Als visuellen Input zu dieser „Veranstaltungswerbung“ das Beispiel der Bugenhagenkapelle/Bugenhagenkirche im Stadtquartier Böcklersiedlung in Neumünster (Schleswig-Holstein).
Mit Mitteln des European Recovery Programs wurde ab März 1950 der Stadtteil Böcklersiedlung in Neumünster errichtet, um Flüchtlingen und Heimatvertriebenen (insbesondere aus den deutschen Ostgebieten) im Nachgang des 2. Weltkrieges eine „neue Heimat“ zu bieten. Mit der Böcklersiedlung wurde eines der ersten Großprojekte des Nachkriegssiedlungsbaus umgesetzt, dass seinerzeit durchaus Vorbild- und Vorzeigefunktion hatte. Dennoch ist festzuhalten, dass es sich bei der Böcklersiedlung um ein Quartier handelt, dass sich zum Zeitpunkt seiner Errichtung in peripherer Insellage auf Flächen eines ehemaligen Militärflugplatzes am Rande der gewachsenen Siedlungsstrukturen Neumünsters handelt. So entstand eine „Enklave für die zugezogenen fremden Deutschen“. Straßen- und Platznamen suchen den Bezug zu den verlorenen „Heimaten“.
Eine der ersten Infrastruktureinrichtungen im neu entstehenden Stadtteil war die Bugenhagenkapelle am Kantplatz, dem zentralen Platz der Böcklersiedlung, mit dem ihr beigeordneten Gemeindehaus. Sie bot ab 1953 der sich neu formierenden Bugenhagengemeinde eine erste Heimstätte und einen Ort des sozialen Miteinanders.
Mit dem Bau der Bugenhagenkirche an der Schnittstelle zwischen Böcklersiedlung und den historisch gewachsenen Siedlungsstrukturen Bugenhagens (in verkehrsgünstigerer Lage am Hansaring) erhielt die wachsende Gemeinde eine neue größere Heimat. Diese wurde ab ihrere Einweihung 1965 zum neuen Zentrum gemeindlicher Arbeit und der Standort Bugenhagenkapelle verlor zusehends an Bedeutung für die Erbringung rein religiöser Angebote. Was jedoch seine Bedeutung als sozialer Anlaufpunkt/Treffpunkt im Quartier nicht beendete. So wurde der Bau weiterhin für Festivitäten genutzt und beheimatete zwischenzeitlich die gemeindeeigene Kindertagesstätte (die einzige in der Böcklersiedlung). Mit Neubau einer Kindertagesstätte (Ersatzneubau) in unmittelbarer Nähe (gefördert im Rahmen der städtebaulichen Erneuerung der Böcklersiedlung im Kontext des Städtebauförderungsprogramms Soziale Stadt) wurde die Kapelle 2007 entnutzt. Quartiersbezogene Entwicklungsplanungen (Rahmenplanungen) sahen die Entwicklung zu einem „sozialen, integrativen generationengerechten Kompetenzzentrum“ vor, dass den sozio-demografischen Herausforderungen im Stadtteil durch Bündelung sozio-kultureller Angebote zu begegnen sucht.
Die Webseiten der Bugenhagengemeinde verdeutlichen noch Heute ein tiefgreifendes gewachsenes Verständnis der sozialen Herausforderungen im Stadtteil: „Der Stadtteil, in dem unsere Gemeinde liegt, ist geprägt von großen sozialen und religiösen Unterschieden. Diese Unterschiede als Vielfalt zu akzeptieren ist eine Stärke unserer Gemeinde. So wie viele verschiedene Pflanzen in einem Garten wachsen, so kommen bei uns Menschen aus unterschiedlichen Lebenssituationen im Haus Gottes zusammen. Unser Ziel ist es, den Menschen des Stadtteiles eine Heimat zu bieten und auch ein Ort der Freude und des Festes zu sein“ (Quelle: https://www.kirchenkreis-altholstein.de , Zugriff: 29.09.2016).
Die Planungen und Vorstellungen zur Neunutzung des Kapellenbaus ließen sich jedoch nur teilweise umsetzen. Gefundene Lösungen verdanken ihre Umsetzung nicht unwesentlich dem Engagement der Vor-Ort-Akteure. So wurden Kapelle und Gemeindehaus am Kantplatz zwischenzeitlich modernisiert und mit neuen Nutzungen gefüllt. Im Kapellenbau findet sich seit Ende 2014 das Archiv des Kirchenkreis Altholstein und das ehemalige Gemeindehaus ist zwischenzeitlich (nach 2011) generationengerechter und in jedem Fall innovativer Wohnstandort. Für Modernisierung und Umbau maßgeblich mitverantwortlich war als Architekt der in Neumünster aufgewachsene und beruflich im Wesentlichen in Dänemark aktive Henning Stübben (siehe hierzu).
Das Ringen um tragfähige Lösungen und Konzepte für Kapelle und Gemeindehaus bleibt dennoch als langwieriger Prozess zu verstehen, der bereits um 2000 begann und aus verschiedenen Gründen erst 14 Jahre später seine noch heute gegenwärtige praktische Umsetzung erhielt. Das Ergebnis ist gelungenes und zukunftsorientiertes Beispiel für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem sozio-kulturellem und auch baulichem Erbe Bugenhagenkapelle.
In der Hoffnung mit dem Beispiel einige Denkanregungen zur Diskussion gefasst zu haben freue ich mich darauf vielleicht den Einen oder Anderen auf oben benannter Tagung zu treffen.
Some words in English:
This article focuses on church infrastructures in change. It presents the example of an former church building which is nowadays used for innovative housing. The church building is situated in Böcklersiedlung a peripheral district of Neumünster, a town in the middle of Schleswig-Holstein.
The district was build for refugees of WWII somewhere at the outskirts of Neumünster on a former military airfield. It was an island outside the inner town with its own secular and religious infrastructure ans street names remind the inhabitants of their origin.
Getting back to the chapel presented in the pictures:
It took a process of nearly 15 years to find and realise a sustainable concepts of conversion after several years of decay.
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