Das Stadtwachstum des ausklingenden 19. Jahrhundert stellte die werdenden Metropolen Europas vor zunehmende Herausforderungen, Hierzu zählt auch der Umgang mit den verstorbenen Einwohnern.
Was sich in anderen wachsenden Metropolen Europas, z.B. Wien durchaus einfacher gestaltete, gestaltete sich für den Großraum des werdenden „Groß-Berlins“ durchaus als Herausforderung.
Ab etwa 1900 sind für die Friedhofsentwicklung des wachsenden Metropolraums Berlin zunehmende konzeptionelle und planerische Überlegungen zur Entlastung der zwischenzeitlich in direktem urbanen Entwicklungsdruck befindlichen Friedhofsflächen der wachsenden Berliner Innenstadt dokumentiert.
Zusammenfassend stellte sich für die verantwortlichen Entscheidungsträger des wachsenden Metropolraums Berlin die zu beantwortende Frage eines langfristig tragfähigen Umgangs mit den verstorbenen Bewohnern in einer werdenden Metropole.
Ab ca. 1902 beginnen im werdenden Großraum Berlin die Planungen zu einer stadtgrenzenübergreigfenden Lösung der sich stellenden ökonomischen und sozi-kulturellen Bestattungsstättenherausforderung (Eine wachsende Metropole braucht vereinfacht gesprochen auch mehr „Ruheplätze“ für zunehmend unterschiedliche Ansprüche).
Die Stadtpfarreien des damaligen evangelischen Berliner Stadtsynodalverbandes beabsichtigten die Entwicklung von 3 Großfriedhöfen außerhalb der damals gegebenen Stadtgrenzen Berlins.
(Bis in die Gegenwart ist das Friedhofswesen in Berlin mehrheitlich in religiöser Trägerschaft und insoweitnur eingeschränkt in öffentlicher Zuständigkiet.)
Lediglich der Südwestkirchhof Stahnsdorf gelangte von den 3 geplanten Großfriedhöfen zur Umsetzung.
Gartenoberingenieur Louis Meyer entwickelte 1906 eine Konzeption zur Anlage eines Waldfriedhofes, welcher den einzelnen Berliner Kirchengemeinden Bestattungsflächen in Stahnsdorf unter einheitlicher Verwaltung einräumte.
1909 wurde der Südwestkirchhof Stahnsdorf außerhalb der Berliner Stadtgrenze eröffnet. Zeitgleich wurde auch die bis in die Gegenwart prägende Kapelle im Stil einer Norwegischen Stabholzkirche – samt Nebengebäuden (Garage) – ihrer Bestimmung übergeben.
„Es war das erste Mal in der Geschichte, dass die Idee eines landschaftlich gestalteten Zentralfriedhofes umgesetzt wurde. Seine kunstgeschichtliche Bedeutung ergibt sich vor allem durch die Arbeiten der hier seinerzeit tätigen Architekten und Bildhauer, unter ihnen Franz Seeck, Alfred Grenander, Max Taut, Hugo Lederer, Hermann Hosaeus, Emil Cauer.“ (Quelle: Südwestkirchhof Stahnsdorf)
Von 1913 bis zum Mauerbau 1961 war der Friedehof über die so genannte Friedhofsbahn zum Bhf. Wannsee an den ÖPNV der Stadt Berlin angebunden.
In Zusammenhang mit den „Germania“-Planungen von Albert Speer wurden 1938/39 etwa 15.000 Umbettungen nach Stahnsdorf vorgenommen, um in Berliner Innenstadtlagen Raum für die Umsetzung der „Nord-Süd-Achse“ sowie weiterer nationalsozialistischer Bauprojekte zu schaffen. Innerstädtische Friedhofsflächen wurden entwidmet und Gräber/Grabstellen nach Stahnsdorf verlegt,
Die Deutsch-Deutsche Teilung beendete die Träume von der Etablierung eines Zentralfriedhofsystems für die Metropole Berlin.
Auch nach der Wiedervereinigung 1989/90 ist keine konsequente Wiederaufnahme der Planungszielstellung „Zentralfriedhofsystem“ zu beobachten.
Vielleicht ist an dieser Stelle ein guter Zeitpunkt, um den Monolog an Hintergrundinformationen zu unterbrechen und diejenigen von euch abzuholen, die sich den Südwestkirchhof Stahnsdorf als Ausflugsziel aus dem COVID-Alltag „erwürfelt“ haben oder aber durch puren Zufall auf diesem Blog oder auf dem Südwestkirchhof gelandet sind:
Die Friedhofsanlage des Südwestkirchhof Stahnsdorfs vermittelt eine unglaubliche Weitläufigkeit. Wegenetz und Freiräume der Friedhofsanlage geben dem Besucher bis in die Gegenwart deutlich ein Gefühl von den eigentlich beabsichtigten Entwicklungen: Der Etablierung eines Zentralfriedhofs im Metropolraum Berlin.
Dem Ausgehungerten Wanderer sei ein Besuch im Restaurant gegenüber dem Haupteingang ans Herz gelegt. Mit etwas Glück kann man in der gastronomischen Einrichtung gegenüber dem Haupteingang durchaus auch regional atypische kulinarische Spezialitäten wie „Sauerfleisch“ genießen.
Für Kenner des Netflix-Serienformats „Dark“ sollte die Szenerie des Südwestkirchhof und insbesondere das Umfeld der Stabholzkirche nicht unbekannt sein, da Kirche und Umgebung mehrfach als Drehort genutzt wurden.
Insofern sollte man sich als unbeteiligter Besucher auch nicht zu verwundert zeigen, wenn auf einmal Personen in gelben Regenmänteln/Friesennerzen im Umfeld umhereiern.
Einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen Begräbnisstätten der unterschiedlichen Epochen. Mit teils eindeutigen emotionalen Botschaften vermittelt die Gesamtanlage ein durchaus spannendes Bild einer sich zeitlich verändernen Begräbniskultur.
Wie sich Friedhofsentwicklung im weiterhin werdenden Berlin bzw. dem Metropolraum zukünftig vollziehen wird, bleibt ein offenes Buch. Derzeit erscheinen mühevoll ausgehandelte informelle Planungen zur Friedhofsentwicklung nur noch eingeschränkt belastbar zu sein.
(Friefdhofs-)Trägerinstitutionen in der Berliner Innenstadt suchen den Spagat zwischen bestmöglicher ökonomische Verwertung der bestehenden innerstädtischen Friedhofsflächen, ihrer Anpassung an sich verändernde Bedarfe/Nutzeranforderungen sowie dem allgegenwärtigm Druck zur Nutzung innerstädtischer (Bau-)Flächenpotenziale,
Eindeutig ergibt sich aus einem sich sichtbar veränderten Begräbnisverhalten und sich verändernden individuellen „Ruhewünschen“ ein respektabler Raum um Friedhofsfunktionen und Friedhofskultur neu zu denken.
Gerade in Innenstadtlagen sind Friedhofsanlagen eindeutig mehr als eine „personenbezogene Ruhestätte“, sondern Grünräume, Kulturräume, Räume der Ruhe, Gedächtnis und auch Räume des beschaulichen/behutsamen sozialen Austausches. Ein Wandel des erwarteten funktionalen Profils von Begräbnisstätten und erforderlicher (dienstleistungsorientierter) Funktionen ist wahrnehmbar.
Für die Metropolregion Berlin-Brandenburg bleibt es eine offene Frage, wohin die Reise beim Thema „Begräbniskultur“ und Ruhestättenpraxis geht.
Auch bleibt die Frage offen, ob es langfristig gelingen wird die bestehenden innerstädtischen Friedhofsflächen in der Gänze ihrer Funktionen zu sichern.
Mit diesen Gedanken verabschiede ich mich an dieser Stelle von euch…
„Alles fliesst… sucht Festes.“
Some words in English:
Welcome to the Südwestkirchhof Stahnsdorf a cemetary situated quiet close to the recent borders of Berlin.
As in many other prospering metropolitan areas in Europe, responsible institutions in Berlin tried to establish a central-cemetary-system to cope with the challenges of urban growth and urban development within the borders of Berlin.
The Südwestkirchhof Stahnsdorf was opened in 1909. Till the East-West-divide after WWII there was a direct access to the public-transport-network of Berlin.
In context of the Germania-plannings for Greater Berlin around 1938/39 approximately 15.000 graves were moved to Südwestkirchhof Stahnsdorf.
Anyhow, till today the responsible institutions in the metroplotitan area of Berlin never managed to establish the intended central-cemetary-system.
Südwestfriedhof Stahnsdorf remained an exaggerated local cemetary without metropolitan importance.
In present times of continuing urbanization there is an ongoing discussion on how to deal with cemetaries and the cemetary-system within the metropolitan area of Berlin. The re-organization of the cemetary-system within the metropolitan area of Berlin today is a discussion of religious institutions and church owned companies dealing with the burdens of adequate funeral services, trying to overcome the challenges and pressures of urbanization related growth, changing funeral expectations and responsible economic development of small local cemetaries.
Comments and questions are welcome… hope you enjoy at least some of the pics… take care!!!
Maybe some of you might recognize the chapel in the pics as location from the netflix series „Dark“.
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